
Eine Übung für ortsspezifisches Arbeiten in der historisch-politischen Bildung.
Diese Methode kombiniert verschiedene Ansätze meiner
eigenen Praxis und Erfahrung als Workshopleiter in
Bereichen der politischen und kulturellen Bildung, aber
auch meine Praxis als Künstler.
Während meines Studiums an der Bauhaus-Universität
Weimar hatte ich das Glück, in Seminaren von Astrid
Drechsler und Simon Frisch zu studieren. Diese haben
mit uns zur Schulung der (auditiven) Wahrnehmung im
Kurs Wahrnehmen und Üben Hörspaziergänge gemacht,
die z. T. auch mit verbundenen Augen stattfanden. Einen
weiteren Einfluss stellt Pauline Oliveros dar, die mit
ihrem »Deep Listening«-Ansatz ebenfalls einen Bezugspunkt
bildet.
Jeglichen Klang – oder in diesem Kontext: jeglichen Reiz –
gilt es bewusst wahr- und ernstzunehmen:
Welche Geschichten erzählen uns diese Eindrücke?
es hallt
es ist kalt
es bröckelt
es rieselt
was bleibt
Dazu kommt meine eigene Praxis als Schreibender, bzw. als
Workshopleiter in diesem Bereich.
Meiner Erfahrung nach begünstigt das Schreiben über eine
Erfahrung die bewusste Auseinandersetzung mit dieser,
es ermöglicht ein Externalisieren und Darübersprechen.
Es sortiert Emotionen und macht sie im Kontext
einer Diskussion oder eines Gesprächs vermittelbar.
die temperatur der vergangenheit
reicht mir ungefragt die hand
sie versucht zu erzählen
Entstanden ist dieser Versuchsaufbau, wenn man es so
nennen will, 2021 in einem Workshop in der Gedenkstätte
Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock. Zur NS-Zeit
kamen hier sowjetische Kriegsgefangene an. Sie waren
dort inhaftiert und wurden für ihre Zwangsarbeitseinsätze
auf den umliegenden Höfen ›vorbereitet‹.
Dasbedeutet: Wer hier nach langer Reise ausgehungert,
häufig krank und geschwächt, ankam, wurde rasiert,
mit Häftlingskleidung eingekleidet, vermessen, gewogen,
geprüft, registriert und gewaschen. Ein wesentlicher
Teil dieses Prozesses fand in der sogenannten ›Entlausung‹
statt und wird von Zeitzeug:innen häufig und
größtenteils als demütigend beschrieben. Nach dem
Zweiten Weltkrieg und bis zur Nutzung als Gedenkort,
wurde das Gelände auf unterschiedliche Weise genutzt,
weshalb nicht mehr alle Spuren sichtbar sind. Was
jedoch geblieben ist, ist die kalte und fabrikhallenähnliche
Atmosphäre. […]